Wer im Großraumbüro arbeitet, kennt die Situation: die sogenannten Schreibtischüberfälle, das ungefragte Hinter-den-Schreibtisch-treten.
Was tun bei solchen unangenehmen Grenzüberschreitungen? Tipps für Opfer – und auch Täter!
Vorweg gesagt: Es geht nicht darum, die Kollegin könnte etwas Privates auf dem Schreibtisch oder PC-Bildschirm haben, das für „dienstliche Augen“ nicht vorgesehen ist. Wenn dem so ist, handelt es sich um einen anderen Konflikt…
Es geht vielmehr um den Respekt vor der räumlichen/körperlichen Nähe. Der Schreibtisch ist immer auch persönliches Territorium - und ein Eindringen in diese Privatsphäre möchte jeder für sich in unterschiedlicher Ausprägung zulassen. Im Grunde geht es um die Wahrung der Distanzzonen!
So ist die intime Distanzzone (bis zu 50 Zentimeter) nur guten Freunden und Familienmitgliedern vorbehalten, wenn man sich zur Begrüßung oder Verabschiedung in den Arm nimmt. Die private Distanzzone (50 Zentimeter bis zu 1 Meter) wird eingehalten, wenn Bekannte oder Arbeitskollegen sich zur Begrüßung und Verabschiedung die Hand reichen. Die gesellschaftliche Distanzzone (1 bis 2 Meter) gilt, wenn jemand hinter seinem Schreibtisch oder einer Theke sitzt/steht. Hier findet kein Körperkontakt statt.
Hebeln Großraumbüros gesellschaftliche Distanzzonen aus?
Die große Weite eines Großraumbüros scheint die gesellschaftliche Distanzzone auszuhebeln. (Telefon-)Gespräche können vom Umfeld mitverfolgt werden und Aktivitäten am Schreibtisch sind zum Teil schon von weitem einsehbar. Laufwege führen mitunter direkt hinter den Schreibtisch einer Kollegin. Die Grenzen der Distanzzone sind in diesem Umfeld also verschwommen und werden leicht vergessen und - vielleicht auch unabsichtlich - übergangen. Kollegen, die an ihrem Schreibtisch sitzen und gerade nicht in ein persönliches oder fernmündliches Gespräch vertieft sind, wird unterstellt, sie seien jederzeit und ungefragt ansprechbar. Doch was spricht denn eigentlich dagegen, sich zunächst VOR dem Schreibtisch zu platzieren, dezent auf sich aufmerksam zu machen, um dann sein Anliegen vorzutragen? Bequemlichkeit? Vielleicht! Unwissenheit? Auch das kann möglich sein!
Tipp: Senden Sie Ich-Botschaften
Wenn Sie sich als Herantretender einem Schreibtisch nähern, nehmen Sie sich die Zeit, um zunächst VOR den Schreibtisch Ihres Gesprächspartners zu treten. Mit einem freundlichen Gruß, gefolgt von einer freundlichen Formulierung: „Guten Morgen, Frau Kollegin! Ich möchte Ihnen gerne etwas zeigen, um es mit Ihnen zu besprechen. Darf ich kurz rum kommen?“ oder „Guten Morgen Frau Kollegin! Ich möchte gerne kurz etwas mit Ihnen besprechen. Darf ich mich setzten?“ Vorab gefragt, ob man stört und „eben rum kommen kann", mit einer kurzen Begründung, haben die meisten Menschen sicherlich kein Problem mit dem Näherkommen. Sie geben der Kollegin am Schreibtisch damit die respektvolle Chance, selber entscheiden zu dürfen, wie viel Nähe sie zu lassen möchte.
Wenn Sie am Schreibtisch sitzen und überfallen werden, können Sie den „Schreibtischüberfall“ tadeln, kommentieren, kritisieren oder sich vor künftigen Überfällen verbarrikadieren, in dem zum Beispiel ein Mülleimer oder Stuhl den Weg versperren. Dies ist ebenfalls respektlos und in besonders „harten Fällen“, sind die Kollegen in der Lage über Mülleimer und Stühle hinweg zu steigen. Damit ist also niemandem geholfen. Senden Sie auch hier Ich-Botschaften und teilen Sie Ihrem Gegenüber Ihr Unwohlsein mit dieser Situation mit: „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie künftig zunächst vor meinen Schreibtisch treten, bevor wir in Ihr Thema tiefer einsteigen. Ich fühle mich sonst unsanft aus meinen Gedanken gerissen und kann Ihnen anschließend nicht die verdiente Aufmerksamkeit schenken.“
Fazit: Wie so häufig im Leben, hilft es im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie die andere Person wären? Hinterfragen Sie sich und die Situation und verhalten Sie sich Ihrem Gegenüber so respektvoll und distanziert, wie Sie es sich ebenfalls wünschen würden.
Mit stilvollen Grüßen Ihre
Sarah Jäkel